Die
Geschichte von zwei Frauen und einem Mann, der eine wichtige Rolle spielt, aber
doch im Hintergrund bleibt. Eine Geschichte vom Sehen und Angesehen werden.
Eine Geschichte, die aktueller nicht sein könnte.
Lasst
uns Augen-Blicke bei der Geschichte verweilen und dann auf uns selbst blicken.
Wie
alles begann?
Da sind
sie also die beiden Abram und Sarai: Glaubensvater und Glaubensmutter. Große
Verheißungen im Herzen, aber eine Realität, die nichts davon widerspiegelt. Und
das Warten zermürbt, lässt die Quelle der Hoffnung nur noch wie ein spärliches
Rinnsal rieseln und am Ende fühlt es sich trocken und versiegt an. Keine Kinder
zu haben – welche Schmach für Sarai und Abram. Keine Zukunft, kein
Weiterbestehen der eigenen Familie – der Tod schon im Leben! Hoffnungslos –
wenn, ja wenn es nicht dieses legale Hintertürchen gäbe, das nicht nur bei den
Hebräern sondern auch drum herum offengelassen worden ist. Ein Kind gezeugt vom
Ehemann im Bett der Ehefrau mit der Sklavin der Ehefrau. Ausgetragen von der
Sklavin, auf den Knien der Ehefrau geboren und damit zum eignen Kind geworden.
Leihmutterschaft schon damals. Mit allen Risiken und Schwierigkeiten. So ist
der Plan.
Aber was
keiner dieser drei wohl bedacht hatte, sind die Gefühle, die nun dazwischenfunken.
Ein Plan
ohne Gefühle – aber wir Menschen sind voller Gefühle und zuallererst
Gefühlvoll.
Wer
schaut auf wen?
Das
fängt ja schon bei den Blicken an. Wenn wir Menschen anschauen, dann kommen
sofort unsere Gefühle mit ins Spiel. Wir werten und bewerten beim Anschauen,
Hinblicken, zusehen – und dieses Werten und Bewerten hat mit unseren Gefühlen
zu tun.
Wer
schaut auf wen und wie in dieser Geschichte?
Sarai
schaut auf sich – und sieht sich in einem schlechten Licht. Keine Kinder zu
haben – diese Schande möchte sie nicht mehr ausgesetzt sein. Sie hat keinen
liebevollen Blick für sich mehr. Sie sieht nur den Mangel an sich. Und damit
sieht sie auch die Beziehung zu Abram mit einem mangelvollen Blick. Ich frage
mich: Wo bist du Sarai bei dieser Geschichte?
Abram
schaut weg. Mir scheint er hat resigniert. Jedenfalls kämpft er nicht für ein
weiteres hoffnungsvolles Ausharren. Er lässt sich treiben und damit Sarai
treiben, das zu tun, was sie für richtig hält. Konsequent hält er sich dann
auch aus der restlichen Sache raus. Sein Mitgefühl ist nicht vorhanden, denn er
hatte auch am Anfang keine Gefühle in diese Dreiecks-Beziehung eingebracht. Er
scheint nicht hinschauen zu wollen und kann deshalb auch keine der Frauen
richtig anschauen. Ich frage mich: Wo bist du Abram bei dieser Geschichte?
Hagar wird
nicht gefragt. Sie muss funktionieren, so ist ihre Rolle. Doch als sie
schwanger wird, wächst mit ihr das Gefühl, dass sie an dieser Stelle ihrer
Herrin überlegen ist. Jetzt schaut sie herab auf Sarai. Die Verhältnisse drehen
sich und bleiben äußerlich doch gleich. Das ist Konfliktpotential hoch drei.
Und irgendwann weiß Hagar sich nicht besser zu helfen, als zu fliehen. Nix wie
weg. Ab in die Wüste. Sie scheint keinen wirklich guten Plan zu haben –
Hauptsache weg von.. Ich frage mich: Wo bist du Hagar bei dieser Geschichte?
Was
passiert, wenn uns Gott anblickt?
Bisher ist von Gott wenig die Rede gewesen. Die
großen Glaubenseltern haben das Heft in die Hand genommen und so ist es keine
Frage, was Gott dazu wohl sagt. Aber Gott blickt die ganze Zeit auf diese
Beziehungsgeschichte. Und als ihm die Chance gegeben wird, dort in der Wüste am
Brunnen des lebendigen Wassers, greift er ein. Hagar spürt den Blick, der auf
ihr ruht und sie tritt in den Dialog mit Gott ein.
Aber die ersten Worte sind nicht das, was sie
hören möchte. Sie soll zurück gehen, wieder in die Zustände, denen sie
entflohen ist. Geht das? Ist das nicht zu viel verlangt? Zurück an den Ort der
Demütigung? Wie soll das gehen?
Gott
blickt uns liebevoll an
Dort am Brunnen des lebendigen Wassers blickt
Gott liebevoll auf Hagar. Er sieht ihre Not und lässt sie nicht im Stich.
Dort am Brunnen des lebendigen Wassers blickt Hagar
auf Gott. Und in der Begegnung mit ihm bekommt sie einen neuen Blick auf sich
und ihr Leben. Sie muss nun nicht mehr ihren Selbstwert aus dem Herabblicken
auf Sarai aufwerten. Sie hat erfahren, dass sie ein zutiefst angesehener Mensch
ist, denn Gottes Augen ruhen auf ihr. El Ro-I: Du bist der Gott, der mich ansieht.
Mit liebevollen Augen, mit einem brennenden Herzen, mit Möglichkeiten für eine Zukunft.
Vielleicht ist seitdem das Morgengebet
entstanden, dass auch zu meinem Morgengebet seit einiger Zeit geworden ist:
Gott, lass deine Augen ruhen auf mir, und mich
das Wissen um deine Freundschaft mitnehmen in diesen Tag.